Gartentipps für Hobbygärtner

Dieser Ratgeber soll für Hobbygärtner eine Anleitung sein, fachgerechte Schnittmethoden durchzuführen und das richtige Werkzeug dafür zu benutzen. Neben der passenden Schere ist es außerdem sinnvoll, bevor man ans Werk geht, sich die Vorgehensweise immer wieder ins Gedächtnis rufen zu können. Wir richten uns vor allem an die Mutigen, die bereit sind fachgerecht zu schneiden. Denn was für die Pflanze eine notwendige Pflegemaßnahme ist, mag dem ästhetischen Auge des Betrachters radikal erscheinen. Doch wer das Leben seiner Pflanzen im Garten verstehen will und ihnen beim Überleben helfen möchte, muss sich auch an einen ordentlichen Rückschnitt wagen. Wer weiß, wie die betreffende Pflanze darauf reagiert, hat weniger Skrupel Hand anzulegen. Denn einfach wachsen lassen, ist für den Ertrag bei Obstbäumen nicht förderlich.

Natürlich ist das Schneiden für eine Pflanze ein harter Eingriff in ihren Wachstumsprozess. Normalerweise würde sie wuchern, soweit die Umgebung es zulässt. Das Gehölz wächst dann weit verzweigt und verbraucht viel Energie für die immer wieder neuen Triebe. Für Wind oder gar Stürme bieten diese Verästelungen eine große Angriffsfläche und es können dann auch dickere Äste abreißen. Dadurch kann der Baum schwer beschädigt werden. Deshalb ist es sinnvoll gerade bei Bäumen durch gekonntes Ausdünnen ein kompaktes Wachstum zu fördern. Auch die Ertragsmenge kann bei Obstbäumen dadurch enorm gesteigert werden. Jeder Gärtner weiß, wer in und mit der Natur arbeitet, braucht Geduld und die notwendigen Vorkenntnisse, wenn er seinen Pflanzen nicht schaden möchte.

Hier werden nun Beobachtungen und Erfahrungen so verständlich wie möglich wiedergegeben, damit auch ein Unkundiger die Möglichkeit hat von der Arbeit einer jahrzehntelangen Landschaftsgärtnertätigkeit zu profitieren. Dabei bedeutet eine fachgerechte Behandlung der Pflanze auch immer eine pflanzengerechte. Der Schnitt soll neben anderen Pflegemaßnahmen dazu dienen die Pflanze gesund zu halten und ihre Lebensdauer zu verlängern. Da jede Art ihren eigenen Habitus besitzt und oft eine unverwechselbare Gestalt entwickelt, stellt sich die Frage, welche Vorgehensweise am artgerechtesten ist. Hierfür ist auch die Wahl und Qualität des Werkzeugs nicht unwesentlich. Astscheren und Baumsägen können große Unterschiede aufweisen, denn schließlich sind nicht nur der Preis und die Tauglichkeit ein wichtiger Faktor. Quetschungen des Holzes müssen vermieden werden. Saubere Schnitte sind wünschenswert, ohne Abrisse der Rinde.
Bäume haben mit einigen Widerständen zu kämpfen. Wassermangel und austrocknende Winde können der Pflanze ziemlich zusetzten. Vor allem wenn sie an einem ungeeigneten Standort gepflanzt wurden, wird das physiologische System beim Wachsen und Gedeihen von Anfang an nicht optimal unterstützt.

Dann ist der Baum anfällig für Schädlinge und Krankheiten. Doch der größte Gegner, dem sich der Baum gegenüber sieht, ist – man ahnt es schon – der Mensch mit seiner Astschere. Erscheint er auf der Obstwiese, kann das verheerende Folgen für das Obstgehölz haben. Dann werden Mitteltriebe gekappt, dicke Hauptäste einfach abgesägt und alle ein- und zweijährigen Triebe radikal abgeschnitten. Mehr als 50 Prozent des Astwerks fällt diesem Vandalismus zum Opfer. Wachstumsgesetze und Schnittregeln bleiben dabei völlig außer Acht. Maximal 30 Prozent der Äste dürfen dem Baum entnommen werden. Mehr sollte man ihm auf keinem Fall zumuten.
Leider stehen genug derart verunstaltete Bäume an Straßen, in Parkanlagen und Gärten.
Unachtsamkeit oder Unkenntnis lassen verkrüppelte Gestalten zurück, die zwar noch leben, sich aber nicht mehr artgerecht entfalten können. Es wird Jahre dauern, bis durch die fachgerechten Maßnahmen eines kundigen Baumpflegers solche Pflanzen in neuer Kraft aufgebaut sind.

Bevor man also zur Tat schreitet, sollten folgende Fragen zuerst einmal geklärt werden:

  1. Ist es notwendig in das Leben der Pflanze einzugreifen?
  2. Bringt es der Pflanze Vor- oder Nachteile, wenn sie zurückgeschnitten wird?
  3. Wie kann man durch Zurückschneiden das Ausufern der Pflanze eindämmen ohne ihr zu schaden?
  4. Und besitzt man das notwendige, geschärfte Werkzeug für einen artgerechten Schnitt?

Bei folgenden Beispielen ist ein Schneiden wünschenswert, zu empfehlen oder gar unumgänglich:

1. Obstbäume und -sträucher (Aufbau, Pflege, Erziehung, Verjüngung) sollten regelmäßig fachgerecht geschnitten werden. Nach dem Setzen von Hoch- und Halbstämmen oder kleinen Buschbäumen im Spät- oder Frühjahr ist im Frühling der erste Schnitt fällig, an den sich in den Folgejahren ein artgerechter Erziehungsschnitt anschließen muss. Für einen gesunden und stabilen Kronenaufbau eines Obstbaumes benötigt es in den ersten drei bis fünf Jahren (je nach Sorte)einen regelmäßigen Erziehungsschnitt. Nach dem Aufbau eines tragfähigen Kronengerüsts sollten die Obstgehölze nur noch einen regelmäßigen, leichten Pflegeschnitt erfahren.

2. Hecken können formgerecht getrimmt werden (auch die Einzelpflanze).

3. Krankheitsschäden (Mehltau, Spitzendürre, Krebswucherungen usw.) müssen bis ins gesunde Holz entfernt werden.

4. Baumsanierung (Stammfehler bereinigen und ausschneiden, faulende Stellen des Holzes bis ins gesunde Holz (Splint- oder Kernholz) herausschneiden, ausschaben und weiterbehandeln

5. Astbrüche durch Sturm, Frost, Schneelast oder zu üppigen Erntebehang müssen versorgt werden.

6. Trockene oder durch Frost geschädigte Äste und Zweige werden nach dem Winter herausgeschnitten (z.B. Rosen, immergrüne Berberitzen, Cotoneastersorten usw.).

7. Nachwinterlicher Rückschnitt der meisten Rosenarten (jährlich). Ausnahmen sind viele Kletter- und Parkrosen. Ein Sommerschnitt kann die Reichhaltigkeit der Blüten fördern.

8. Förderung des Blütenansatzes durch Rückschnitt (z.B. Heidearten, Forsythien, spätblühende Clematis). Die Pflanzen blühen dann fast immer fülliger.

9. Verwelkte Blüten werden abgeschnitten (Stärkung des nachfolgenden Blütenansatzes). Dies ist sinnvoll bei Flieder, Rhododendron, Weigelia usw.

10. Nach dem Rückschnitt von Herbstblühern (z.B. Buddleia, Caryopteris, Ceanotus oder Perowskia) gedeiht die Pflanze gut und blüht reicher.

11. Bodendeckerpflanzen werden durch Zurückschneiden am wilden Wuchern gehindert, damit Beete in ihrer Schönheit erhalten bleiben (z.B. Hypericum, verschiedene Spiraea-Arten und niedrige Potentillasorten)

Folgende Überlegungen führen oft ebenfalls zum Rückschnitt von Pflanzen.

Hier sollte jedoch die Notwendigkeit genauer überdacht werden und dann erst sinnvolle, pflanzengerechte Eingriffe vorgenommen werden.

1. Zu groß gewordene Baumkronen oder Sträucher sollten aus Raummangel oder anderen Gründen ausgelichtet oder zurückgeschnitten werden.

2. Bestimmte Arten sind besonders gefährdet bei starkem Wind zu brechen (z.B. Robinia pseudoacacia oder Acer saccharinum „Wieri“). Daher sollte die Bildung von Astgabeln rechtzeitig verhindert werden.

3. Wassertriebe werden in den allermeisten Fällen entfernt. Zuerst sollte man die Gründe des Entstehens klären und überlegen, ob tatsächlich alle Triebe entfernt werden müssen.

4. Die über die Grundstücksgrenze hinauswachsenden Zweige können zu Nachbarschaftskonflikten führen. Wenn Pflanzen zu nah an der Grenze gepflanzt wurden, muss unter Umständen geschnitten oder gar gerodet werden. Gesetze sollen bei der Entscheidung helfen. Verlierer ist jedoch immer die Pflanze.

5. Ein Schneiden von Gehölzen aller Art (Hecken, Blühsträucher, Obstbäume) führt immer zur Verjüngung der jeweiligen Pflanze. Ob diese Maßnahme jedoch immer erforderlich ist, muss für jede individuell festgelegt werden.

Der Obstbaumschnitt

Vor etwa fünfzig Jahren sah der Schnitt der Obstbäume noch ganz anders aus als heute. Das Ziel des Schneidens war vor allem ein formschöner Baum. Der Profi und auch der Hobbygärtner wünschen sich jedoch in erster Linie natürlich einen regelmäßig, reichlich Früchte tragenden Baum.

Gute Erträge sollen sich möglichst im zweiten oder dritten Jahr einstellen. Doch dies kann nur durch einen fachgerechten Schnitt gelingen, der Wasserschosse vermeidet. Hierfür ist die Kenntnis der Frucht- und Blattknospen notwendig, damit der Baum seine Nährstoffe vorrangig in die Blüten, und somit auch späteren Früchte investiert.

Der Zeitpunkt des Baumschnittes

spielt eine große Rolle und hängt von der jeweiligen Art des Obstes ab.

Ein Frühlingsschnitt (vor Ostern, März, April) oder ein Schnitt im Sommer (Juni, Juli) fördern ein ruhiges Wachstum ohne Wasserschosse.

Der Schnitt vor Weihnachten (November, Dezember) führt zu starkem Neuaustrieb. Werden die Spitzen dieser Neutriebe und Wasserschosse beim Pflegeschnitt abgeschnitten, entsteht ein wildes Wachstum.

„Sibirischer Stoppelschnitt“ wird dieses Austreiben spöttisch genannt. Rigorose Schnitte überstehen nur Obstbaumarten wie Sauerkirsche, Pfirsiche oder Nektarinen wirklich gut. Hier sollten etwa die Hälfte aller Triebe entfernt werden.

Süßkirschen- und Walnussbäume z.B. dürfen nicht im Frühjahr geschnitten werden. Der enorme Saftdruck führt in dieser Jahreszeit zu übermäßigem „Bluten“ an den Schnittstellen. Diese Bäume werden im August und September geschnitten. Ebenso sollten Kiwis nur Ende Februar oder noch besser im Herbst zurückgeschnitten werden.

Jahreszeit für Baumschnitt
Beim Sommerschnitt (Juni, Juli) können sogar die Jungtriebe an den größeren Ästen weggerissen werden. Da die Wunden in dieser Zeit schneller verheilen und die Risswunden im folgenden Jahr weniger oder gar keine Wasserschosse ausbilden, kann vor allem bei Kernobst (Apfel, Birnen, Quitten u.a.) diese Methode unbedenklich angewendet werden. Nachweislich entsteht an den Risswunden kein Baumkrebs.

Der Winterschnitt an Obstbäumen

Während sich der Baum in einer winterlichen Ruhephase befindet, lassen sich viele Obstbaumarten besser schneiden. Zum einen sorgt die laubfreie Krone für einen guten Überblick, zum anderen sind alle physiologischen Prozesse im Baum auf das Nötigste heruntergefahren. In dieser „Saftruhezeit“ reagiert er nicht auf Schnittverletzungen.

So kann die in den Wurzeln gespeicherte Energie vom vorangegangenen Herbst im Frühjahr für die Neubildung und das Wachstum von jungen Trieben gesteckt werden. Ein Schnitt im Winter führt zu einem verjüngenden Wachstum des Baumes im Frühling. Allerdings verheilen die Winterschnittwunden nicht so schnell, wie Frühjahrswunden. Deshalb sollten empfindlichere Sorten besser ab Ende Februar bis maximal Anfang Juni geschnitten werden.
Grundsätzlich gilt
  • Je stärker ein Baum zurückgeschnitten wird, umso kräftiger fällt der Neuaustrieb aus.
  • Je senkrechter ein Ast gewachsen ist, umso stärker wächst er weiter.
    Soll ein Baum in seinem Wachstum gebremst werden, empfiehlt sich ein Sommerschnitt.
  • Seine Krone soll zum einen gut durchlüftet werden, zum anderen jedoch immer noch genug Blattwerk besitzen, um Schatten zu spenden. So sind die Früchte vor einem Sonnenbrand geschützt.
  • Der Obstbaumschnitt soll generell eine Balance zwischen Triebwachstum und Fruchtbildung schaffen.

Obstgehölze

sollten immer an trockenen, frostfreien Tagen geschnitten werden, damit die entstandenen Wunden leicht vom Baum geschlossen werden können. Bei zu hoher Feuchtigkeit ist die Wahrscheinlichkeit eines Krankheitsbefalls durch die offenen Schnittflächen größer. Bei dünneren Zweigen ist diese Gefahr geringer als bei kräftigen Ästen.
Um die Ansteckungsgefahr mit Krankheiten so gering wie möglich zu halten, sollte immer auf sauberes Schnittwerkzeug geachtet werden. Nach dem Entfernen von kranken Zweigen und befallenen Blättern muss eine Schere immer gereinigt werden.

Schnittwunden – Heilung

Bei Süß- und Sauerkirschbäumen, sowie Aprikosen, Pfirsichen und Nektarinen sollte man allerdings Vorsicht walten lassen. Das Bestreichen größerer Schnittwunden mit Lac Balsam sollte vor allem bei Steinobst in Erwägung gezogen werden.
Generell ist zu beobachten, dass Wunden, die der Pflanze während ihrer Vegetationsperiode zugefügt werden, schneller verheilen.

Im Frühjahr können die in den neuen Blättern gebildeten Bildungsstoffe in kurzer Zeit an den Wundrändern ihre heilende Wirkung verrichten. Man kann also damit rechnen, dass Mai-Juni-Wunden wesentlich schneller mit der Überwallung beginnen als ältere Winterwunden. Auch der Verheilungswulst, der die Schnittstelle überzieht, fällt erheblich flacher aus. Dicke Äste ergeben große Schnittdurchmesser und öffnen das System der Pflanze für Krankheitserreger. Deshalb ist es ratsam, dass schwierige Schnittstellen, bei denen eine Schwächung der Pflanze zu erwarten ist, spätestens Ende Juni stattfinden. Denn bereits ab Mitte Juli lässt die Verheilungskraft der Pflanze nach und wird immer schwächer. Ab Mitte Oktober, wenn die Blätter fallen, stellt die Pflanze dann alle Verheilungsprozesse ein.

Übrigens:

Flechten (epiphytische Zusammenschlüsse aus Algen und Pilzen) stellen keine Gefahr für den Baum dar. Epiphyten leben zwar auf anderen Pflanzen, schädigen diese jedoch nicht, da sie sich selbständig ernähren. Sie sind vielmehr ein Zeichen dafür, dass die Umgebungsluft gut ist und können ohne Bedenken am Gehölz verbleiben.
Starker Moosbewuchs hingegen zeigt eine zu schlechte Belichtung der Baumkrone an. Hier ist ein Pflegeschnitt angezeigt, der innenliegende Zweige und Äste entfernt und dadurch für eine bessere Durchlüftung und Belichtung sorgt. Nur so können die feuchtigkeitsliebenden Moose reduziert werden.

Zuerst sollte ein sogenannter „Entlastungsschnitt“ vorgenommen werden, bevor man größere Äste entfernt. Dabei werden alle Zweige an der Unterseite des Astes abgeschnitten, um ein Ausreißen der Rinde zu vermeiden. Werden dickere Äste entnommen sollten diese auf „Astring“ geschnitten werden. Jedoch sind manche Fachleute inzwischen der Meinung, dass vor allem bei Obstgehölzen besser zwei bis drei Zentimeter vom verbleibenden Ast entfernt geschnitten werden sollte. Das verbliebene Stück trocknet und verschließt die Schnittwunde. Später kann dann der Stumpf so entfernt werden, dass die Schnittwunde verschlossen bleibt.
Kleinere, tote Äste können übrigens auch problemlos im Baum verbleiben, sofern sie nicht bruchgefährdet sind. Sie dienen verschiedenen Vogelarten und Insekten als Unterschlupf. Wer genug Platz im Garten oder auf der Obstwiese hat, sollte das Schnittgut luftdurchlässig an einem ruhigen Ort stapeln. So wird das ökologische Gleichgewicht durch höhere Diversität im Garten gefördert (Unterschlupf für Igel, Nisthilfe für Vögel).

Der Oeschbergschnitt

Diese Schnittmethode wurde zur Erziehung von Obstbäumen mit großer Krone eingeführt. Bereits Ende der 1920er Jahre wurde sie von dem Schweizer Hans Spreng an der „Kantonalen Obst- und Gartenbauschule Oeschberg“ entwickelt. Spengs Vater hatte in Deutschland (Stuttgart) bei Nicolas Gaucher den sogenannten „Alt-Württemberger-Schnitt“ gelernt. Hier werden bis zu zwölf gleichberechtigte in mehreren Etagen angeordnete Gerüstäste ausgebildet. Doch diese Vielzahl an Ästen führt irgendwann zu einer weitgreifenden, aber instabilen Krone. Da die Energie des Baumes auf zu viele Äste verteilt werden muss, kann der einzelne nicht kräftig genug heranwachsen. Früher glaubte man, dass „viel Holz“ auch dauerhaft „viel Ertrag“ bedeutete. Aber die Last der Früchte gefährdete auf Dauer den viel zu schwachen Kronenaufbau und künstliche Stützen mussten das Brechen der überforderten Äste verhindern. Die schirmartige Krone führte zu einer Verschattung der unteren Bereiche, sodass sich der qualitätsvolle Ertrag immer weiter nach oben Richtung Licht verlagerte. Der Anteil an minderwertigen, sogenannten Schattenfrüchten nahm somit stetig zu. Außerdem verdorrten die unteren Zweige nach einiger Zeit wegen des herrschenden Lichtmangels völlig.
Spreng gelang es durch die konsequente Erziehung eines kräftigen Mitteltriebs und 3-4 steiler, selbsttragenden Leitästen ein stabiles Kronengerüst zu entwickeln. So kann bis ins hohe Alter des Baumes eine kräftig gebaute Naturkrone erhalten werden, die meist ohne künstliche Stützen beim Fruchtbehang auskommt. Durch den jährlichen Rückschnitt werden bewusst die Kronenmitte und alle Leitäste gestärkt, sodass die Bruchgefahr sehr reduziert wird. Die Form der ausgebildeten Krone bleibt bis zuletzt leicht pyramidal und ermöglicht eine gute Belüftung und Belichtung der Blätter, Blüten und späteren Früchte. Allein das Volumen der Krone ändert sich im Laufe der Zeit.
An den Leitästen werden weitere selbsttragende, begleitende Fruchtäste aufgebaut. Diese bilden zusammen das produktive Fruchtholz. Während das dauerhafte Kronengerüst des Baumes nicht angetastet wird, erfährt das Fruchtholz durch regelmäßige Schnittmaßnahmen eine ständige Verjüngung. Dies hält den Obstbaum in einem produktiven Zustand.
Die Energiereserven der starkwüchsigen Obstbäume werden durch den Oeschbergschnitt in die Ausbildung breiter fruchttragender Kronen investiert. Diese lässt dem Sonnenlicht genug Raum zwischen den schützenden Blättern, damit eine optimale Ausreifung der Früchte stattfinden kann. Verhältnismäßig bodennah kann dann die Ernte stattfinden. So ist eine hohe Fruchtqualität gewährleistet, wobei die Quantität nicht vernachlässigt wird.

Fruchtertragssteigerung durch fachgerechten Schnitt

Wird zu viel weggeschnitten, reagiert der Baum mit unerwünschten Steiltrieben (Wasserschossen), die Schatten begünstigen und kaum Früchte hervorbringen. Schneidet man jedoch zu wenig zurück, erschöpft sich der Baum durch zu viele Früchte, die im zu dichten Blattwerk wenig Sonne bekommen. Darunter leiden der Geschmack und die Süße der Früchte. Sie schmecken eher fade, weil sie auch zu wenige Vitamine enthalten. Hier ist ein zügiger Sommerschnitt angesagt. Denn ein Ausdünnen der Früchte ist bei zu starkem Behang (z.B. Apfel, Pfirsich, Nektarine, Nashi) dann unumgänglich, will man den Baum nicht allzu sehr strapazieren. Schließlich möchte man im Folgejahr wieder vernünftig ernten (Vermeidung von Alternanz).

Die schlanke Spindel (Pillar)

Bei dieser Schnittform wird nur der Haupttrieb um ein Viertel zurückgeschnitten. Die Seitentriebe bleiben nach dem Pflanzen vorerst unangetastet. In den folgenden zwei bis drei Jahren bleibt das Bäumchen ohne Schnittmaßnahmen, während die Seitentriebe waagerecht gebunden werden. Bei Knipbäumen wird bei der Pflanzung sogar nichts zurückgeschnitten. Dafür müssen sie ständig bewässert werden. Containerware sollte grundsätzlich nach dem Pflanzen nicht zurückgeschnitten werden.
Knipbäume wurden in der Baumschule veredelt und ein Jahr nach der Veredelung auf etwa einen halben Meter zurückgeschnitten. Die Folge ist der Austrieb eines Haupttriebs mit einigen Fruchttrieben, sodass noch im Folgejahr schon bei manchen Sorten (Apfel) geerntet werden kann. Die Voraussetzung dafür ist jedoch, dass eine kontinuierliche Bewässerung (April bis September) möglich ist. Durch das Nicht- Zurückschneiden des Knipbaums entsteht schon im Pflanzjahr die fruchtbare (generative) Phase und einer Ernte im selben Jahr steht nichts mehr im Weg.

Die Hohl- oder Trichterkrone

Für die optimale Belichtung bei Pfirsich-, Nektarinen- oder Sauerkirschbäumen kommt eine andere Schnittmethode zum Einsatz. Damit die Früchte eine bessere Ausreifung durch genug Sonneneinwirkung erfahren, bildet man eine sogenannte Hohlkrone aus. Diese wird bei Obstbäumen mit zu starkem Höhenwuchs bevorzugt. Nach etwa zwei Jahren wird bei dem jungen Bäumchen der stammverlängernde Mitteltrieb entfernt.
Zwar kann diese Maßnahme bis spätestens im dritten oder vierten Standjahr noch stattfinden, jedoch mit schräger Schnittführung, damit Regenwasser ablaufen kann. Eventuell muss die Schnittwunde mit Wundwachs behandelt werden. Allerdings werden diese Wundverschlussmittel von Fachleuten auch mit Skepsis betrachtet, da sie scheinbar keinen wirklich erkennbaren Nutzen für den Baum aufweisen können. Deshalb sollte möglichst bis Anfang des 3. Standjahres das Abschneiden des Gipfels vollzogen sein. Inzwischen ist die Erkenntnis unter Fachleuten gereift, dass ein Frühjahrsschnitt dem Baum bessere Wundheilungschancen ermöglicht. So kann erfahrungsgemäß eine Wunden bis zu 3 cm Durchmesser innerhalb von 1-2 Tagen soweit verschlossen werden, dass Krankheitserreger nicht mehr eindringen können. Beim Winterschnitt hingegen werden immerhin bis zu 40 Tage dafür benötigt. Somit ist es ratsam tiefgreifende Einschnitte in das System eines Obstbaumes möglichst im 2. Standjahr und im Frühjahr durchzuführen.
Für eine spätere optimale Belichtung der Früchte an kräftigen, tragfähigen Ästen werden 3-4 Seitentriebe als Leitäste herangezogen. Der Winkel zur jetzt fehlenden Stammverlängerung sollte etwa 45° Grad betragen. Im Notfall muss ein passender, aber zu steil aufstrebender Trieb etwas herabgebunden werden, solange bis er die neue Wuchsrichtung angenommen hat. Die ausgewählten, zukünftigen Leitäste sollten am Stammansatz nicht weniger als 5 cm Abstand voneinander betragen und dann um ein Drittel zurückgeschnitten werden. Alle anderen Triebe müssen zur Stärkung der verbleibenden konsequent abgeschnitten werden. In den folgenden Jahren werden alle steilen Triebe immer wieder abgeschnitten, während die waagerechten Seitentriebe ohne Rückschnitt verbleiben dürfen. Die Leitäste werden jährlich nur um ein Viertel ihres Zuwachses gekürzt. Geschnitten wird immer an trockenen und windstillen Tagen, damit die Infektionsgefahr durch Pilzsporen möglichst gering ist.
Sauerkirschen werden vor dem Austrieb und Süßkirschen besser nach der Ernte geschnitten.

Erziehung der Obstgehölze

Die wenigste Zeit zum Erziehen (Ausbildung eines tragkräftigen Kronenaufbaus) benötigen Mostbirnen. Normalerweise bilden sie nach wenigen Jahren eine harmonisch wachsende Baumkrone aus. Tafelbirnen im Vergleich, wachsen gerne steil nach oben und brauchen daher mehr Aufmerksamkeit beim Erziehungsschnitt.
Eine sinnvolle Schnittmethode zeigt der Oeschbergschnitt auf, der in der Schweiz für hochstämmige Obstbäume entwickelt wurde. Hier wird als Stammverlängerung ein ausgeprägter Mitteltrieb belassen. Von drei oder vier starken, steilen Seitenästen umringt, entsteht eine tragfähige Kronenkonstruktion. Wenn der Oeschbergschnitt schon bei einem jungen Baum in der Kronenaufbauphase seine Anwendung findet, kann mit diesem Verfahren in kurzer Zeit ein kräftiges Geäst entstehen, das auch bei starkem Fruchtbehang kaum oder gar nicht abgestützt werden muss. Zertifizierte, kompetente Baumwarte sind in dieser Schnitttechnik ausgebildet.

Die Drei-Ast-Krone und Spalierobstgehölz

Für die Drei-Ast-Krone werden drei starke Triebe ausgesucht. Dabei werden der Mitteltrieb und die beiden Seitenleittriebe um etwa die Hälfte zurückgeschnitten. Die Seitentriebe (Kronentriebe) werden waagerecht oder im 45°-Grad-Winkel an einem Drahtgerüst befestigt. Die Neutriebe der nächsten zwei bis drei Jahre werden immer wieder im Frühjahr um etwa ein Viertel zurückgeschnitten. Während die Steiltriebe alle entfernt werden, dürfen die waagerechten Fruchttriebe bleiben.